Werbe-Einwilligung erlöscht nicht durch Zeitablauf

Amtsgericht Hamburg

Urteil v. 24.08.2016 - Az.: 9 C 106/16

Leitsatz

Werbe-Einwilligung erlöscht nicht durch Zeitablauf

Tenor

In dem Rechtsstreit (...) erkennt das Amtsgericht Hamburg - Abteilung  9 - durch (...) am 24.08.2016 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über den Ersatz außergerichtlicher anwaltlicher Abmahnkosten, die in Folge der Übermittlung einer E-Mail werbenden Inhalts entstanden sind.

Die Klägerin gab am 23.11.2010 um 14:08:27 Uhr bei einem Online-Gewinnspiel ihre persönlichen Daten samt geschäftlich genutzter E-Mail-Adresse (...) an und erklärte sich damit einverstanden, an diese E-Mail-Adresse E-Mails mit werbenden Inhalt zu erhalten. An diese E-Mail-Adresse verschickte das Computersystem der Beklagten daraufhin die Aufforderung, die Teilnahmebedingungen zu bestätigen. Dazu musste ein Link in der E-Mail angeklickt werden, was am 25.11.2010 um 19:02:54 Uhr geschah.

Am 09.05.2016 erhielt die Klägerin dann an die vorstehend genannte E-Mail-Adresse eine E-Mail von der Beklagten, in der diese für eine Augenlaser-Behandlung warb. Dieses Vorgehen mahnte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 10.05.2016 gegenüber der Beklagten ab (Anlage K1). Erforderte sie auf, eine Unterlassung- und Verpflichtungserklärung zu unterzeichnen.

Konkret sollte sie erklären, dass sie zukünftig unaufgefordert keine E-Mails werbenden Inhalts mehr an die Klägerin senden und die Klägerin von den Kosten der Rechtsverfolgung freihalten werde. Die Kosten gab der Prozessbevollmächtigte mit 679,10 € an.

Mit Schreiben vom 25.05.2016 (Anlage K2) erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, dass die Beklagte zukünftig keine E-Mails werbenden Inhalts mehr an die Klägerin verschicken werde. Einen Ausgleich der Kosten lehnte er ab.

Mit der am 21.06.2016 der Beklagten zugestellten Klage begehrt die Klägerin Ersatz der ihr im Zusammenhang mit der Abmahnung entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von € 7.000,00 zuzüglich Zinsen seit Rechtshängigkeit.

Die Klägerin behauptet, die IP-Adresse, welche bei der Anmeldung zum Gewinnspiel übermittelt wurde, könne nicht auf die Klägerin zurückgeführt werden. Sie behauptet weiter, an deren Prozessbevollmächtigten vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 808,19 gemäß Rechnung vom 7.06.2016 (Anlage K4) gezahlt zu haben.

Die Klägerin ist der Ansicht, es habe keine Einwilligung vorgelegen, auf Grund derer die Beklagte dazu berechtigt gewesen wäre, ihr Werbe-E-Mails zuzusenden. Eine dahingehende Einwilligung habe sie nie erklärt. Selbst wenn dem so gewesen sei, sei diese zumindest nicht oder nicht mehr gültig. Die Einwilligung sei dann ursprünglich schon nicht konkret genug gewesen. Außerdem habe sie ihre Wirksamkeit in Folge des lang zurückliegenden Erklärungszeitpunkts verloren.

Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, im Zeitraum vom 15.12.2011 bis 22.03.2016 zahlreiche E-Mails werbenden Inhalts von der Beklagten erhalten zu haben.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin den Betrag von 546,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe in der Zeit vom 15.11.2011 bis zum 22.03.2016 die in der Anlage B1 aufgeführten Werbe-E-Mails an die streitgegenständliche E-Mail-Adresse erhalten.

Die Beklagte ist der Ansicht, es liege eine wirksame Einwilligung der Klägerin vor, so dass dieser kein Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten und damit auch kein Anspruch auf die Erstattung der geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten zustehe.

Schließlich meint die Beklagte, der angesetzte Gegenstandswert sei deutlich übersetzt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen die Beklagte zu.

I. Die Klägerin hat keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte. Insbesondere liegen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schadensersatz gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB nicht vor. Zwar ist anerkannt, dass das Erhalten einer E-Mail werbenden Inhalts an die geschäftliche E-Mail-Adresse einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des E-Mail-Empfängers darstellen kann. Vorliegend fehlt es allerdings an der Widerrechtlichkeit dieses Eingriffs.

1. Nach Auffassung des Gerichts ist der Beklagten nämlich der Beweis gelungen, dass eine wirksame Einwilligung der Klägerin hinsichtlich der Übersendung der streitgegenständlichen E-Mail am 09.05.2016 vorlag.

a)    Die Ansicht der Klägerin, für den Nachweis des Einverständnisses sei stets erforderlich, dass der Werbende die konkrete Einverständniserklärung jedes einzelnen Verbrauchers vollständig dokumentiere, was im Fall einer elektronisch übermittelten Einverständniserklärung deren Speicherung und die jederzeitige Möglichkeit sie auszudrucken voraussetze, führt nicht dazu, dass die Beklagte vorliegend die Einverständniserklärung der Klägerin ausgedruckt vorlegen muss.

aa) Zutreffend ist, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass eine Einwilligung vorlag (BGH, GRUR 2004, 517,519). In Übereinstimmung mit der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung ist dafür grundsätzlich erforderlich und ausreichend, dass der Beklagte darlegt und gegebenenfalls beweist, den Absender durch eine E-Mail um eine Bestätigung seines Teilnahmewunsches gebeten zu haben und dass diese Bestätigung beim Werbenden eingegangen ist. Schon durch dieses Double-Opt-In Verfahren wird dann grundsätzlich hinreichend sichergestellt, dass in E-Mail-Werbung an diese E-Mail-Adresse ausdrücklich eingewilligt wurde (BGH GRUR 2011 S.936, 939).

bb) Zu Unrecht verweist die Klägerin hier auf die oben angeführten Dokumentationspflichten der Beklagten. In der zitierten BGH-Entscheidung war es der Beklagten nicht möglich gewesen, die Gewinnspielteilnahme der beworbenen Personen zu beweisen (BGH GRUR 2011 S.936, 938 f.). Allein deshalb forderte das Gericht die Dokumentation der einzelnen Einwilligungserklärungen. Vorliegend ist die Gewinnspielteilnahme der Klägerin, wie auch die Anmeldung zu diesem Gewinnspiel über das Double-Opt-In-Verfahren zwischen den Parteien jedoch unstreitig.

b) Die Klägerin hat ihrerseits nicht bewiesen, dass nicht sie es war, die an dem Gewinnspiel teilgenommen und ihre Erklärung über das Double-Opt-In-Verfahren bestätigt hat. Es ist nicht ausgeschlossen, sich auch nach Bestätigung einer E-Mail-Adresse im Double-opt-in-Verfahren noch darauf zu berufen, dass die unter dieser Adresse abgesandte Einwilligung in E-Mail-Werbung nicht abgegeben wurde - etwa mit der Begründung, bei der E-Mail-Adresse, unter der die Bestätigung versandt worden sei, handele es sich nicht um die seine; sie habe auch keinen Zugang zu dieser Adresse. Dafür trägt dann aber die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast.

Kann der Verbraucher darlegen, dass die Bestätigung nicht von ihm stammt, war die Werbezusendung auch dann wettbewerbswidrig, wenn die E-Mail-Adresse im Double-Opt-in-Verfahren gewonnen wurde (BGH, Urteil vom 10. 2. 2011 - I ZR 164/09, GRUR 2011 S.936, 939).

Diese Voraussetzungen liegen hier indes nicht vor. Die Klägerin bestreitet lediglich, dass die IP-Adresse, welche bei der Anmeldung zum Gewinnspiel übermittelt wurde, nicht auf die Klägerin zurückzuführen sei. Diese Behauptung reicht nicht aus um darzulegen, dass es nicht die Klägerin war, die am Gewinnspiel teilgenommen hat. Es war schließlich ihr E-Mail-Konto, in dem der Bestätigungslink betätigt wurde.

2. Die Einwilligung lag auch am 09.05.2016 weiterhin vor.

a) Eine Unwirksamkeit der Einwilligung wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt. Es fehlt schon an der Bezeichnung der konkreten Einwilligungsklausel, die gegen das Transparenzgebot verstoßen soll. Aus dem Inhalt der übersandten Werbe-E-Mails allein kann entgegen der Ansicht der Klägerin nicht geschlossen werden, dass ein solcher Verstoß vorlag.

b) Die Wirksamkeit der Einwilligung ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht entfallen, weil ihre Erteilung mehrere Jahre zurücklag. Die Wirksamkeit einer Einwilligung erlischt nicht, wenn der Einwilligung entsprechend in regelmäßigen Abständen E-Mails werbenden Inhalts an einen Abonnent versandt werden. Dies gilt auch dann, wenn sich der Zeitraum über mehrere Jahre erstreckt. Der Empfänger kann in einer solchen Situation nicht davon ausgehen oder darauf vertrauen, dass er zukünftig keine weiteren E-Mails mehr erhält.    

Die Beklagte hat nachgewiesen, dass an die Abonnenten ihres Newsletters in regelmäßigen Abständen E-Mails werbenden Inhalts versandt worden sind. Dieser Umstand ist gemäß § 138 Abs.4 ZPO als von der Klägerin zugestanden anzusehen. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist insoweit nicht zulässig, da der Empfang von E-Mails im eigenen Postfach ein von der Klägerin wahrnehmbares Ereignis war. Nach alledem war die Klage abzuweisen.

II.    Mit dem Hauptanspruch entfällt auch der Zinsanspruch.

III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr.11, 713 ZPO.