Kopplung von Gewinnspiel mit Rezepteinlösung nicht erlaubt
Leitsatz
Kopplung von Gewinnspiel mit Rezepteinlösung nicht erlaubt
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin gegen das am 05.04.2017 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird das angefochtene Urteil abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, gegenüber Endverbrauchern in Deutschland ein Gewinnspiel auszuloben, das an die Einlösung eines Rezeptes gekoppelt ist, wenn dies geschieht wie folgt:
(...)
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 2.348,94 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2015 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120.000 EUR leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Die Klägerin ist eine Berufsvertretung der Apotheken im Bezirk X. Zu ihren Aufgaben zählt es, die Einhaltung der Berufspflichten der Apotheken zu überwachen.
Die Beklagte ist eine in den Niederlanden ansässige Versandapotheke, die verschreibungspflichtige Arzneimittel an Kunden nach Deutschland liefert.
Im März 2015 warb die Beklagte bundesweit mit einem Flyer für ein "großes Gewinnspiel", mit dem als Hauptpreis ein Gutschein für ein E-Bike im Wert von 2.500,-- € sowie neun Philips-Sonicare-Diamond-Clean-Sets ausgelobt wurden. Wegen der Gestaltung des Flyers wird auf den Tenor dieses Urteils Bezug genommen. Voraussetzung für die Teilnahme an der Verlosung war das Einsenden eines Rezepts.
Die Klage ist darauf gerichtet, es der Beklagten zu verbieten, gegenüber Endverbrauchern in Deutschland ein Gewinnspiel auszuloben, das an die Einlösung eines Rezepts gekoppelt ist, wenn dies geschieht wie aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlich.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 3a UWG In Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG zu, weil das Gewinnspiel der Beklagten keinen Vorschub zu einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln leiste. Im Übrigen sei § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 19.10.2016 (GRUR 2016, 1312 - DocMorris/Deutsche Parkinsonvereinigung) europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass diese Vorschrift für EU-ausländische Versandapotheken nicht gilt, soweit es um verschreibungspflichte Arzneimittel gehe, weil EU-ausländische Versandapotheken der deutschen Festpreisbindung für Arzneimittel nicht unterlägen.
Es liege auch kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG vor, denn aus der genannten Entscheidung folge zugleich, dass sich EU-ausländische Versandapotheken nicht an die Preisbindung halten müssten, das heißt die deutschen Festpreise für Arzneimittel unterschreiten dürften. Dann müsse es aber auch möglich sein, einen Barrabatt, einen Bonus oder einen sonstigen geldwerten Vorteil (z.B. die Teilnahme an einem Gewinnspiel) zu gewähren, der den Erwerb festpreisgebundener Arzneimittel günstiger erscheinen lasse. Schließlich sei die Koppelung der Teilnahme des Gewinnspiels an die Einlösung eines Rezepts nicht nach §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit § 129 Abs. 2 SGB V, § 2b Abs. 2 Satz 2 des Rahmenvertrages zwischen dem Spitzenverband der Deutschen Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband unlauter. Denn es handele sich nicht um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Erstmals in der Berufungsinstanz erhebt die Klägerin den Vorwurf, die Beklagte betreibe einen illegalen Versandhandel, da sie Arzneimittel in Deutschland lagere und innerhalb Deutschlands versende. Sie könne sich deshalb nicht auf eine niederländische Versandhandelserlaubnis berufen, sondern benötige gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG in Verbindung mit § 11a Apothekengesetz eine deutsche Versandhandelserlaubnis, die sie nicht besitze. Im Übrigen sei die Auslobung des Gewinnspiels rechtswidrig gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG; gleichermaßen liege ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG vor.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen wie erkannt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, ein Unterlassungsanspruch gemäß § 3a UWG in Verbindung mit §§ 78 Abs. 2 Satz 2, Satz 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, 3 AM-PreisV liege nicht vor, weil eine nationale Regelung, die vorsehe, dass für verschreibungspflichtige Arzneimittel einheitliche Apothekenabgabepreise festzusetzen seien, ausweislich der Entscheidung des EuGH "DocMorris/Deutsche Parkinsonvereinigung" (a. a. O.) eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne von Artikel 34 AEUV sei. Zurecht habe das Landgericht außerdem erkannt, dass die streitgegenständliche Gewinnspielwerbung weder gegen § 7 HWG noch gegen § 11 Nr. 13 HWG noch gegen den GKV-Rahmenvertrag verstoße. Auf die Werbung sei § 7 HWG, der seinerseits europarechtswidrig sei, weder anwendbar noch im Streitfall tatbestandlich gegeben. Auch stelle die streitgegenständliche Werbung keine unzulässige Beeinflussung im Sinne des § 4a Nr. 3 UWG dar und leiste ebenso wenig entgegen § 11 Nr. 13 HWG einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Soweit sich die Klägerin allerdings erstmals in der Berufungsinstanz darauf beruft, die Beklagte betreibe einen illegalen Versandhandel, ist dieser Vorwurf vom Klageantrag nicht erfasst, da der Beklagten nach dem Antrag das beanstandete Gewinnspiel generell untersagt werden soll, insbesondere auch für den Fall, dass eine Versendung in den Niederlanden erfolgt und die Beklagte dort eine Präsenzapotheke unterhält.
Auch muss die Frage, ob ein Unterlassungsanspruch gemäß § 3a UWG in Verbindung mit §§ 78 Abs. 2 Satz 2, Satz 3, Abs. 2 Satz 1 AMG, 3 AM-PreisV besteht, letztlich nicht beantwortet werden. In diesem Zusammenhang kann unterstellt werden, dass die streitgegenständliche Gewinnspielwerbung die Festpreisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel verletzt. Denn die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung werden bereits dann verletzt, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen (BGH GRUR 2017, 635 - Freunde werben Freunde, Tz. 37).
Die Teilnahme am ausgelobten Gewinnspiel ist ein Vorteil, der die Einlösung des Rezepts bei der Beklagten günstiger erscheinen lässt als bei einer anderen Apotheke. Dies spricht dafür, einen Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung zu bejahen. Davon ausgehend wäre nach der Entscheidung "Freunde werben Freunde" des Bundesgerichtshofs (a. a. O., Tz. 42 ff., 48, 50) der Frage nachzugehen, ob die deutsche Regelung der arzneimittelrechtlichen Preisbindung geeignet ist, eine flächendeckende und gleichmäßige Arzneimittelversorgung zu gewährleisten.
Hierauf kommt es für die Entscheidung des Falles jedoch nicht an. Denn die Beklagte verstößt mit der Bewerbung des Gewinnspiels gegen § 3 UWG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 HWG.
Entgegen der Auffassung der Beklagten wird die Auslegung dieser Norm durch die EuGH-Entscheidung "DocMorris/Deutsche Parkinsonvereinigung" (a. a. O.) nicht beeinflusst. Denn § 7 HWG hat nicht die Einhaltung der arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften zum Gegenstand, sondern das Verbot der Wertreklame, das durch die Preisvorschriften des AMG nur verschärft wird, wie sich aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 HWG ergibt. Die Teilnahme an einem Gewinnspiel ist eine Werbegabe im Sinne dieser Vorschrift. Auch der erforderliche Produktbezug ist gegeben. Der Zweck der Regelung des § 7 HWG besteht vor allem darin, durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, die von einer Werbung mit unentgeltlichen Zuwendungen ausgehen kann; es gibt keinen überzeugenden Grund, den vom Gesetzgeber im Bereich der Heilmittelwerbung als grundsätzlich unerwünscht angesehen Anreiz einer Wertreklame gerade dann hinzunehmen, wenn diese Form der Reklame für eine besonders große Zahl von Heilmitteln, hier für das Gesamtsortiment, eingesetzt wird (BGH a.a.O., "Freunde werben Freunde", Tz. 31). Der Ausnahmetatbestand der geringwertige Kleinigkeit (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG) greift vorliegend nicht ein. Denn auch die bloße Chance, ein E-Bike im Wert von 2.500,-- € zu gewinnen, stellt einen Anreiz dar, der über der Geringwertigkeitsschwelle liegt.
Auch löst die Teilnahmemöglichkeit an dem Gewinnspiel einen Anreiz aus, der dem Schutzzweck des § 7 Abs. 1 HWG zuwiderläuft. Das Zuwendungsverbot des § 7 HWG soll eine mittelbare Gesundheitsgefährdung vermeiden und in erster Linie verhindern, dass die Kunden bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, unsachlich beeinflusst werden (BGH, a.a.O., "Freunde werben Freunde", Rdn. 27). Man könnte argumentieren, dass es darum vorliegend nicht gehe, weil das fragliche Arzneimittel bereits verordnet und ein Arzneimittelfehlgebraucht durch Beeinflussung des Arztes nicht zu befürchten ist. Es besteht jedoch die naheliegende Möglichkeit, dass der Patient sein Rezept bei der Beklagten vorlegt anstatt bei einer anderen Apotheke, insbesondere bei einer stationären Apotheke. Zu den Unterschieden hat der EuGH in der Entscheidung "DocMorris/Deutsche Parkinsonvereinigung" (a.a.O., Tz. 24) ausgeführt, dass Versandapotheke im Gegensatz zu stationären Apotheken nicht in der Lage seien, Patienten durch ihr Personal vor Ort individuell zu beraten, sie haben ein eingeschränktes Leistungsangebot. Die Versandapotheke kann nur telefonisch und auf ausdrückliche Nachfrage beraten. Der EuGH sieht in diesem Unterschied einen entscheidenden Grund dafür, dass den Versandapotheken ein Preiswettbewerb ermöglicht werden muss (a.a.O., Tz. 24). Es kann in der Tat für den Kunden bedeutsam sein, auch bei Einlösung eines Rezepts unaufgefordert beraten zu werden, beispielsweise im Hinblick auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten; hierfür ist der Apotheker ausgebildet. Die Entscheidung für eine stationäre Apotheke oder eine Versandapotheke ist daher für die Gesundheit des Kunden relevant und muss von ihm getroffen werden. Diese Entscheidung wird durch die Durchführung des Gewinnspiels unsachlich beeinflusst, was den Tatbestand des § 7 Abs. 1 HWG ausfüllt.
Ergänzend hinzuzufügen ist, dass ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3a UWG, 11 Abs. 1 Satz 1 Nr.13 HWG besteht hingegen nicht besteht. Auch insoweit teilt der Senat allerdings nicht den Ansatz des Landgerichts und der Beklagten, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG sei infolge der EuGH-Entscheidung "DocMorris/Deutsche Parkinsonvereinigung" dahin auszulegen, dass er für Versandapotheken nicht gelte. Denn § 11 Abs. 1 HWG hat nicht die Einhaltung der Preisvorschriften zum Gegenstand, sondern das Verbot aleatorischer Werbung.
§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG erfordert, dass das Gewinnspiel einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leistet. Dazu reicht es nicht, dass der Kunde veranlasst wird, das ihm verschriebene Arzneimittel bei der Beklagten anstatt bei einer anderen Apotheke zu kaufen. Die Befürchtung der Klägerin, ein Arzneimittelfehlgebrauch sei möglich, weil ein Patient, der das verschriebene Arzneimittel akut benötige, wegen des Gewinnspiels den Weg über die Bestellung bei der Beklagten gehe und deshalb spätversorgt werde, erscheint unbegründet. Nach dem Besuch beim Arzt weiß der Kunde, ob er mit der Einnahme des Arzneimittels unverzüglich beginnen muss und wird sich dann von dem Gewinnspiel nicht verleiten lassen, das Arzneimittel bei der Beklagten zu bestellen. Auch erscheint es wenig wahrscheinlich, dass ein Kunde wegen des Gewinnspiels einen Arzt veranlassen könnte, ein nicht benötigtes Arzneimittel zu verordnen, um an dem Gewinnspiel teilnehmen zu können. Auch wenn es möglich erscheint, sich ein in Wahrheit nicht benötigtes Arzneimittel von einem Arzt verschreiben zu lassen, würde die Teilnahme an dem Gewinnspiel für die meisten gesetzlich versicherten Patienten bedeuten, dass sie eine Rezeptgebühr entrichten müssten. Vor allem aber wäre der Schutzzweck des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG nur verletzt, wenn das Arzneimittel auch tatsächlich konsumiert würde. Hierfür bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte.
Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten ist begründet gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war gemäß § 543 ZPO zuzulassen, da die Entscheidung jedenfalls wegen der Auslegung des § 7 HWG grundsätzliche Bedeutung hat.