Anrufe unter privater Telefonanrufe einer Person immer verbraucherbezogen

Landgericht Halle

Urteil v. 23.04.2015 - Az.: 8 O 94/14

Leitsatz

Werbliche Anrufe unter der Privatnummer einer Person sind grundsätzlich als Werbung gegenüber Verbrauchern zu werten, gleichgültig ob der Angerufene in seiner Eigenschaft als Privatmann oder als Unternehmer angesprochen wird.

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1.es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Dienstleistungen als Versicherungsmaklerin per Telefon gegenüber Endverbrauchern zu bewerben, die in eine telefonische Kontaktaufnahme durch das Versicherungsmaklerbüro (...) nicht ausdrücklich eingewilligt haben,

2. an den Kläger 246,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.09.2014 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Sachverhalt

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.

Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, der u.a. die Aufgabe verfolgt, einen funktionierenden Wettbewerb zu erhalten, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen und den lauteren Geschäftsverkehr zu fördern. Die Beklagte betreibt ein Versicherungsmaklerbüro.

Im Dezember 2013 erhielt die Zeugin (...), die die in (...) einen Imbiß betreibt, unter ihrem privaten Telefonanschluß einen Anruf zwecks Vereinbarung eines Termins für einen Besuch des Versicherungsvertreters (...) . In der Folge kam es zu zwei Vertreterbesuchen des Zeugen (...) bei der Zeugin (...) .   Mit Rechnung vom 22.04.2014 berechnete die Beklagte der Zeugin (...) für Beratungsleistungen im Zusammenhang mit Versicherungsumstellungen ein Honorar von 500,- EUR (Anlage K 4).

Mit Schreiben vom 19.05.2014 mahnte der Kläger die Beklagte wegen unerlaubter Telefonwerbung erfolglos ab.

Der Kläger behauptet, der Anruf bei der Zeugin (...) sei durch eine Mitarbeiterin des Maklerbüros der Beklagten und ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung der Zeugin erfolgt.

Der Kläger beantragt, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Zeuge (...) habe die Zeugin (...) angerufen, nachdem er zuvor in deren Imbiß gewesen sei. Dort seien die Beiden ins Gespräch gekommen. Die Zeugin (...) habe dabei zu erkennen gegeben, daß sie hinsichtlich ihrer Versicherungen Beratungsbedarf habe. Auf ausdrückliche Nachfrage sei die Zeugin (...) mit einem Anruf des Zeugen (...) einverstanden gewesen. Da es sich bei der Zeugin (...) um eine Unternehmerin handele, reiche zudem schon eine mutmaßliche Einwilligung für eine zulässige Telefonwerbung aus. Schließlich sei ihr, der Beklagten, das Handeln des Zeugen (...) nicht zuzurechnen, da dieser nicht für die Akquisition von Neukunden für ihr Maklerbüro zuständig sei und zudem noch selbständig eine Versicherungsagentur führe.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß prozeßleitender Verfügung vom 05.11.2014 (Bl. 39/40 GA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.03.2015 (BL 59-65 GA) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der unstreitig nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG anspruchsberechtigte Kläger kann von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Telefonwerbung (§§ 8 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 UWG i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. UWG) Unterlassung verlangen.

Mit dem Anruf bei der Zeugin (...) wurde Werbung betrieben. Dabei handelt es sich gem. § 2 Nr. 1 UWG um jede geschäftliche Handlung, die der Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen dient. Im vorliegenden Fall diente der Anruf der Vereinbarung eines Termins zur Beratung über Versicherungsleistungen. Ein Werbezweck liegt auch dann vor, wenn der Anruf lediglich mittelbar das Ziel verfolgt, den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen zu fördern, so z.B. - wie hier - bei Vereinbarung eines Termins für einen Vertreterbesuch (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 7 Rdnr. 131).

Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Mitarbeiterin aus dem Maklerbüro der Beklagten oder der Zeuge (...) bei der Zeugin (...) angerufen hat. Auch im letzteren Fall muß sich die Beklagte die Handlung des Zeugen (...) gem. § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen. Schließlich hat die Beklagte der Zeugin (...) unter dem 22.04.2014 Beratungsleistungen des Zeugen (...) in Rechnung gestellt, so daß er jedenfalls als Beauftragter gem. § 8 Abs. 2 UWG anzusehen ist. Denn unerheblich ist, daß der Beauftragte die Tätigkeit nur gelegentlich oder vorübergehend ausübt, daß er auch noch für andere Unternehmer tätig ist oder daß er selbst ein selbständiger Unternehmer ist (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 8 Rdnr. 2.43).

Die Werbung erfolgte gegenüber Verbrauchern, weil die Zeugin (...) unstreitig unter ihrer privaten Telefonnummer angerufen worden ist. Werbliche Anrufe unter der Privatnummer einer Person sind grundsätzlich als Werbung gegenüber Verbrauchern zu werten, gleichgültig ob der Angerufene in seiner Eigenschaft als Privatmann, Verbandsfunktionär, Berufstätiger oder als Unternehmer angesprochen werden soll. Denn ein solcher Anruf stellt einen Eingriff in die Privatsphäre dar (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 7 Rdnr. 140).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vermochte die Beklagte zur Überzeugung des Gerichts nicht nachzuweisen, daß die Telefonwerbung mit vorheriger ausdrücklicher Einwilligung der Zeugin (...) erfolgte. Wie es zu dem Telefonanruf im Dezember 2013 gekommen ist, ist von den beiden Zeugen unterschiedlich dargestellt worden.

Nach der Aussage des Zeugen (...) will dieser mit der Zeugin (...) bei einem Besuch in deren Imbiß Ende 2013 ins Gespräch gekommen sein. Er habe sich, - wie auch sonst - wenn er mit Leuten ins Gespräch komme, als Versicherungsfachmann vorgestellt, und zwar aus dem Maklerbüro der Beklagten, um einen Kontakt in Bezug auf Versicherungen aufzubauen. Er habe erklärt, daß sie unabhängig Versicherungen im geschäftlichen und privaten Bereich überprüfen würden, und zwar dahingehend, ob Versicherungen auf dem laufenden Stand seien, ob ggfs. Leistungen optimiert werden könnten und ob ggfs. Geld eingespart werden könnte. Die Zeugin (...) habe daraufhin ihr Interesse an einer Beratung geäußert, weil sie "durch ihre ganzen Versicherungen nicht mehr durchblicke". Da sie aber zum Gesprächszeitpunkt nicht viel Zeit gehabt habe, habe er nach Übergabe seiner Visitenkarte und Erhalt sowohl der privaten als auch geschäftlichen Telefonnummer bei der Zeugin (...) nachgefragt, ob sie mit einem späteren Anruf einverstanden sei, was diese sinngemäß mit den Worten "Okay, rufen Sie mich an." bejaht habe. Dieses Gespräch habe hinten in der Ecke am Fenster im Imbiß stattgefunden.

Demgegenüber hat die Zeugin (...) bekundet, daß sie den besagten Anruf von einer Mitarbeiterin aus dem Maklerbüro der Beklagten erhalten habe. Bei dem Anruf sei ihr erklärt worden, daß bei rechtzeitiger Antragstellung Steuern bei der Ölheizung gespart werden könnten und jemand sie zwecks genauerer Erklärung aufsuchen könne, womit sie einverstanden gewesen sei nach dem Motto; "Wenn man Geld spare könne, warum nicht". Einen Tag vor dem vereinbarten Termin habe sie bei der Beklagten zwecks Terminabsage angerufen. Die Rufnummer der Beklagten habe sie sich bei dem Anruf auf einen alten Briefumschlag mit dem Namen "(...)" aufgeschrieben, wobei sie allerdings nicht mehr angeben könne, ob ihr die Telefonnummer der Beklagten genannt worden sei oder sie diese von ihrem Display abgeschrieben habe. Den Zeugen (...) habe sie nie in ihrem Imbiß gesehen, sondern das erste Mal bei seinem Besuch bei ihr abends zu Hause, bei dem er ihr seine Visitenkarte gegeben habe.

Das Gericht vermag nicht festzustellen, daß nur die Aussage des Zeugen (...) richtig sein kann und die der Zeugin (...) falsch sein muß. Gegen die Zuverlässigkeit der Zeugin (...) mögen zwar Bedenken bestehen, weil der von ihr geschilderte Zweck des Anrufs, nämlich Steuerersparnis bei der Heizölrechnung, absurd erscheinen mag, insbesondere wenn er von einem Versicherungsmaklerbüro kommen soll und der Anrufer über die Art der Beheizung keine Kenntnis hat, obgleich vorliegend die Zeugin ihrem Bekunden nach tatsächlich über eine Ölheizung verfügt. Dem Gericht sind aber in der langjährigen, d.h. seit mehr als 10 Jahren erfolgten Bearbeitung von Wettbewerbssachen sowohl aus eigener Erfahrung als auch aus veröffentlichten Rechtsprechungen schon die absurdesten Behauptungen bei der Kontaktaufnahme mit potentiellen Kunden untergekommen, insbesondere Behauptungen "ins Blaue hinein". Soweit die Zeugin (...) den Terminzeitpunkt in Bezug auf den ersten Besuch des Zeugen (...) mit abends angegeben hat, hat sie nach Vorhalt ihre Aussage dahingehend korrigiert, daß es auch mittags wie von dem Zeugen (...) angegeben gewesen sein mag. Auch mag die Zeugin (...) aufgrund ihrer Beschwerde bei dem Kläger, die Anlaß zu diesem Verfahren war, an dem Erfolg der Klage interessiert sein.

Dieselben Bedenken bestehen jedoch auch bei dem Zeugen (...), der als Beauftragter der Beklagten an einem günstigen Ausgang des Verfahrens interessiert sein mag, weil er die Art und Weise der Akquise der Zeugin (...) gegenüber der Beklagten zu verantworten hat. Darüber hinaus erscheint es ungewöhnlich, sich zunächst Telefonnummern geben zu lassen und erst anschließend nach einem Einverständnis mit einem Anruf zu fragen. Üblich ist vielmehr der umgekehrte Weg, nämlich erst Nachfrage nach Einverständniserklärung und dann Erhalt von Kontaktnummern, andernfalls kein Anlaß zur Offenlegung von Kontaktdaten besteht. Zudem vermochte sich der Zeuge (...) zwar einerseits an Einzelheiten dahingehend erinnern, wo er bei der ersten Kontaktaufnahme im Imbiß gesessen haben will. Andererseits konnte er aber nicht mehr angegeben, ob er seinen Anruf unter der privaten oder geschäftlichen Telefonnummer der Zeugin (...) oder sogar unter beiden Nummern getätigt haben will und wie viel Zeit zwischen seinem Besuch im Imbiß und seinem Anruf gelegen haben soll.

Kann beiden Zeugen der Ausgang des Verfahrens nicht gleichgültig sein und weisen beide Aussagen gewisse Bedenken auf, dann ist nicht auszuschließen, daß ihr Wille zur Wahrheit durch das Bestreben, der jeweiligen Partei zu helfen, verdrängt worden ist.

Bleibt mithin offen, ob der Werbeanruf mit oder ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung der Zeugin (...) erfolgte, dann geht dies zu Lasten der Beklagten. Denn die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung konkret in der Person des Angerufenen trägt der Werbende (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 7 Rdnr. 154).

Demzufolge steht dem Kläger auch ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu. Bedenken gegen die Höhe der Abmahnpauschale bestehen nicht; solche werden von der Beklagten auch nicht vorgebracht.

Die Androhung von Ordnungsmitteln ergeht nach § 890 ZPO.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.