Namentliche Nennung eines Straftäters nach Haftentlassung unzulässig

Oberlandesgericht Hamburg

Urteil v. 17.11.2009 - Az.: 7 U 62/09

Leitsatz

1. Ein mittlerweile aus der Haft entlassener Straftäter hat einen Anspruch auf Unterlassung hinsichtlich der Nennung seines Namens in der Presseberichterstattung.

2. Die Verbreitung eines Artikels findet nicht erst statt, wenn ein Dritter ihn tatsächlich zur Kenntnis nimmt, sondern ist bereits abgeschlossen, wenn Dritten die Möglichkeit der Kenntnisnahme eingeräumt wurde. Auch das Vorhalten eines Artikels im Archiv einer Internetseite stellt ein Verbreiten dar.

Sachverhalt

Der Kläger wurde 1993 gemeinsam mit seinem Bruder wegen Mordes verurteilt. Im Jahr 2004 stellte der Bruder einen Wiederaufnahmeantrag, über den die Presse berichtete. Auch der Kläger wurde namentlich erwähnt. 2005 wurde der Antrag zurückgewiesen. Im Jahr 2007 ist der Kläger auf Bewährung aus der Haft entlassen worden.

Noch im Jahr 2008 hielt die Beklagte in ihrem Online-Archiv einen Artikel aus dem Jahr 2005 vor, in dem namentlich über den Kläger, die Tat, die lebenslange Haftstrafe und das Wiederaufnahmebegehren berichtet wurde.

Der Kläger sah in der Nennung seines Namens im Zusammenhang mit der Tat eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Entscheidungsgründe

Das Gericht gestand dem Kläger einen Unterlassungsanspruch zu.

Die namentliche Nennung des Klägers stelle einen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Ob dieser Eingriff gerechtfertigt sei, sei durch eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen zu beurteilen. Vorliegend falle diese Abwägung zugunsten des Klägers aus. Das öffentliche Informationsinteresse an Straftaten und Tätern nehme grundsätzlich mit der Verurteilung ab und trete immer mehr in den Hintergrund, je mehr Strafe verbüßt sei. Zwar sei mit dem Wiederaufnahmeantrag ein erneutes öffentliches Interesse entstanden, jedoch müsse dieses wiederum mit Abschluss des Verfahrens über den Antrag zurückstehen.

Demgegenüber habe der Kläger im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Haftentlassung ein erhebliches Interesse an der Wiedereingliederung in die Gesellschaft, für die eine namentliche Nennung seiner Person als Täter einer schwerwiegenden Straftat hinderlich sei. Aus diesem Grund sei eine identifierende Berichterstattung über seine Tat nach seiner Entlassung nicht mehr zulässig gewesen.

Die Beklagte könne dem nicht entgegen setzen, dass sich der Bericht nur in ihrem Archiv befunden habe und erkennbar gewesen sei, dass es sich um einen Artikel aus dem Jahr 2005 handele. Jede eröffnete Zugriffsmöglichkeit auf den Beitrag stelle ein persönlichkeitsrechtsverletzendes Verbreiten des Berichts dar. Es komme nicht darauf an, ob der Beitrag tatsächlich von Dritten zur Kenntnis genommen wurde.