Zum Umfang des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs nach § 34 BDSG

Amtsgericht Heidelberg

Urteil v. 08.08.2012 - Az.: 27 C 45/12

Leitsatz

Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch nach § 34 BDSG umfasst auch die Herkunft der Daten beziehen, die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die Daten weitergegeben werden, und den Zweck der Speicherung.

Tenor

1. Der beklagten Partei wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung hiermit angedrohten Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der beklagten Partei zu vollziehen ist, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken mit der klagenden Partei zur Aufnahme eines erstmaligen
geschäftlichen Kontakts per E-Mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass die ausdrückliche Einwilligung der klagenden Partei vorliegt.
2. Die beklagte Partei wird verurteilt der klagenden Partei Auskunft darüber zu geben, welche Daten zur Person der klagenden Partei bei der beklagten Partei gespeichert sind, auch soweit sie sich auf Herkunft und
Empfänger beziehen, welcher Zweck mit der Speicherung dieser Daten verfolgt wird und an welche Personen oder SteIlen diese Daten übermittelt wurden.
3. Die beklagte Partei wird verurteilt den von der klagenden Partei verauslagten Gerichtskostenvorschuss von Euro 315.00 seit 13.02.2012 mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu
verzinsen.

Sachverhalt

Mit der Klage werden Ansprüche geltend gemacht wegen Unterlassung unerwünschter Werbung per E-Mail sowie wegen Auskunft. Am 11.09.11 erhielt die klagende Partei, ein Rechtsanwalt, an die beruflich genutzte
Adresse xxx per E-Mail eine Nachricht über eine Teilnahmemöglichkeit an einer Studie.

Die Beklagte betreibt ein Marktforschungsinstitut. Die klagende Partei hat die beklagte Partei am 16.12.2011 unter dem Verlangen einer Unterlassungserklärung abgemahnt und zur Auskunft aufgefordert unter Fristsetzung zum 30.12.2011. Obwohl die klagende Partei in der E-Mail vom 16.12.2011 darauf hingewiesen hatte, dass keine telefonischen Verhandlungen stattfinden würden, kontaktierte die Beklagte die klagende Partei telefonisch.

Die Aufforderung zur Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Auskunft war erfolglos.
Die klagende Partei behauptet: Es liege eine unzulässige Beeinträchtigung vor. Es handle sich nicht um
eine Marktforschung, sondern um Werbung für eine Marktforschung und um einen Werbung gleichzusetzenden Vorgang. Es bestehe Wiederholungsgefahr.

Die klagende Partei beantragt: Der beklagten Partei wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung hiermit angedrohten Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer zu vollziehen
ist, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken mit der klagenden Partei zur Aufnahme eines erstmaligen geschäftlichen Kontakts per E-Mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass die ausdrückliche Einwilligung der klagenden Partei vorliegt.

Die beklagte Partei wird verurteilt der klagenden Partei Auskunft darüber zu geben, weIche Daten zur Person der klagenden Partei bei der beklagten Partei gespeichert sind, auch soweit sie sich auf Herkunft und Empfänger beziehen, welcher Zweck mit der Speicherung dieser Daten verfolgt wird und an welche Personen oder Stellen diese Daten übermittelt wurden.

Die beklagte Partei wird verurteilt den von der klagenden Partei verauslagten Gerichtskostenvorschuss von Euro 315.00 seit 13.02.2012 mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu
verzinsen.

Die beklagte Partei beantragt: Die Klage wird abgewiesen.
Die beklagte Partei behauptet: Es handle sich nicht um Werbung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Unterlassungsanspruch der klagenden Partei ergibt sich aus §§ 823, 1004 BGB. Die unerlaubte Zusendung der Anfrage per E-Mail stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.

Bereits die einmalige unverlangte Zusendung einer E-Mail mit Werbung stellt einen rechtswidrigen Eingriff dar.
Bei der Anfrage der beklagten Partei handelt es sich um Werbung. Es wird für eine Studie geworben. Es wird für die Mitwirkung ein Honorar versprochen.

Selbst wenn es sich um Marktforschung handeln würde, wäre die Anfrage vorliegend einer Werbung - unabhängig davon, ob die Studie im Auftrag oder auftraggeberunabhängig durchgeführt wird - gleichzusetzen, denn es geht um ausschließlich kommerzielle Interessen der Förderung des Warenumsatzes bzw. der Erbringung von Dienstleistungen.

Nachfragehandlungen wie vorliegend fallen unter den Begriff der Werbung. Durch die Zusendung von E-Mails zu Werbezwecken entsteht eine Belästigung für den Empfänger sowie eine Beeinträchtigung des
Betriebsablaufs, die dieser nicht hinzunehmen braucht.

Nähere Feststellungen zur Frage der Belästigung sind nicht erforderlich, denn es ist allgemein bekannt, dass - soweit kein festes Entgelt vereinbart ist - für den Empfang von E-Mails zusätzliche Kosten für die Herstellung
der Online-Verbindung und die Übermittlung der E-Mail erforderlich sein können und dass mit dem Sichten und Aussortieren unerlaubter E-Mails ein zusätzlicher Arbeitsaufwand verbunden ist.

Die Zusatzkosten für den Abruf der einzelnen E-Mails können zwar gering sein. Auch der Arbeitsaufwand für das Aussortieren einer E-Mail kann sich in engen Grenzen halten, wenn sich bereits aus dem Betreff entnehmen lässt, dass es sich um Werbung handelt.

Anders fällt die Beurteilung aber aus, wenn es sich um eine größere Zahl unerbetener E-Mails handelt oder wenn der Empfänger der E-Mail ausdrücklich dem weiteren Erhalt von E-Mails widersprechen muss.

Der Eingriff ist auch rechtswidrig. Jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige Einwilligung des Adressaten ist eine unzumutbare Belästigung. Die Zusendung einer E-Mail zu Werbezwecken ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn der Empfänger ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis erklärt hat, E-Mail-Werbung zu erhalten, oder wenn - gegenüber Gewerbetreibenden - auf Grund konkreter
tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Empfängers vermutet werden kann.

Der Eingriff ist rechtswidrig. Die Interessenabwägung führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Klägers an einer ungestörten Ausübung seiner Tätigkeit höher zu bewerten ist als das kommerzielle
Interesse der beklagten Partei Teilnehmer für eine Studie auf bequeme und kostengünstige Art zu finden.

Der Kläger hatte außerdem der Zusendung von Werbung auf der Internetseite widersprochen und war in der
Robinsonliste aufgeführt. Internetseite und Robinsonliste wären für die Beklagte ohne großen Aufwand einsehbar gewesen.

Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr besteht. Der Verstoß der beklagten Partei begründet die tatsächliche Vermutung für seine Wiederholung. Die durch einen bereits begangenen
Verstoß begründete tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr ist von der beklagten Partei zu widerlegen, wobei an den Nachweis des Entfallens der Wiederholungsgefahr hohe Anforderungen zu stellen sind.

Die durch einen bereits begangenen Verstoß begründete tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr hätte vorliegend durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung
ausgeräumt werden können. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung wurde unstreitig, auch im Rechtsstreit, nicht abgegeben.

Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist nicht wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben ausgeschlossen. Der Anspruch der klagenden Partei ist nicht auf die E-Mail-Adresse(n) der klagenden Partei beschränkt, an die die beklagte Partei bislang bereits E-Mails versandt hat. Der Unterlassungsanspruch umfasst nicht nur die konkrete Verletzungshandlung, sondern auch im Kern gleichartige Handlungen.

Der klagenden Partei steht ein Anspruch auf Auskunft unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes zu. Die klagende Partei als Betroffener kann Auskunft verlangen über die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen, Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die
Daten weitergegeben werden, und den Zweck der Speicherung.

Daneben hat die klagende Partei einen Auskunftsanspruch über Personen und Stellen, an die seine Daten übermittelt werden. Die Forderung auf Erstattung des Zinsschadens rechtfertigt sich als
Schadenersatzanspruch und aus Verzug. Der Klage war daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708, 711, 108 ZPO.

Bei der Streitwertfestsetzung hat das Gericht das Interesse der klagenden Partei in diesem Einzelfall berücksichtigt.